Die Geschichte der Stadt Belgern
Belgern und Umgebung war seit uralter Zeit auf Grund der günstigen natürlichen Bedingungen ein bevorzugtes Siedlungsgebiet. Hinzu kam, dass sich hier die Hauptverkehrsstraße entlang der Elbe (alte Heerstraße) mit der von West nach Ost verlaufenden Handelsstraße kreuzte.
Aus der Regierungszeit Ottos II., des Enkels Heinrichs I., stammt die erste urkundliche Erwähnung Belgerns im Jahre 973. Am 5. Juni bestätigte der Kaiser dem Erzstift Magdeburg den Honigzehnt verschiedener slawischer Provinzen, unter ihnen Nitaze, in der Belgern lag. Zehn Jahre später findet sich die nächste Eintragung: Am 27. Februar 983 schenkte Otto II. dem Stift Meißen den Elbzoll von der Burg Belgern bis an die Stadt Meißen.
Der heutige Stadtname entspringt dem slawischen „bela gora“, das „weißer Berg“ bedeutet und auf reiche Tonvorkommen verweist. Belgern war bereits in slawischer Zeit ein herausragender Ort, es bildete den Mittelpunkt des „pagus Belegori“ (Pagus Bezeichnung für das zu einer Stadt gehörige Gebiet).
Seine Bedeutung wuchs mit den anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen Franken und Slawen. So trafen sich im Jahr 1010 auf dem Belgerner Landgut des Lausitzer Markgrafen Gero die Reichsfürsten und der Heerbann, um von hier aus gegen den Polenherzog Boleslaw zu ziehen. Damals weilte auch, so berichtet Thietmar von Merseburg in seiner Chronik, Kaiser Heinrich II. in Belgern.
Nur zwanzig Jahre später, 1031, hielt Kaiser Konrad II. in unserer Stadt Hof, um von hier aus die weitere Eroberung slawischen Territoriums zu organisieren. Die Grenzstreitigkeiten hielten in den folgenden Jahrhunderten an, die befestigte Stadt (Stadtmauer, Graben) wurde mehrfach belagert, während der Hussitenkriege in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gar niedergebrannt.
Aus heutiger Sicht extensiver Stadtbebauung war das frühmittelalterliche Belgern von nur geringem räumlichem Ausmaß. Der befestigte Stadtkern umfasste das Oschatzer Tor, das Meißner Tor in der heutigen Mühlberger Straße, das Kloster, die Kirche, das Torgauer Tor in der heutigen Lindenstraße und das Leipziger Tor, das etwa parallel zum Oschatzer Tor gestanden hat.
Als größere Befestigung in einer Grenzmark – Torgau war im 11. Jahrhundert ein Marktflecken mit Burg und Kloster – unterstand Belgern unmittelbar dem Kaiser. Als der 1094 auf die Zentralgewalt verzichtete, wurden die Grafen von Wettin mit der Mark Meißen belehnt, der Landgraf von Meißen Landesherr der in der Urkunde Bodos v. Ilburg (Eilenburg) vom 6. Mai 1286 als „oppidu Belgeren“ („Stadt Belgern“) erwähnten Feste.
1309 schenkte Landgraf Friedrich der Freidige die „Festung“ Belgern nebst seinem Hof dem reichen Kloster Buch bei Leisnig. Dieses hatte, den weltlichen Eroberern folgend, bereits 1258 ein Cistersienser-Kloster in Belgern errichtet. In den folgenden Jahrhunderten wechselten ständig die Besitzer der Stadt, mehrfach mussten gar an weltliche und geistliche Herren Abgaben entrichtet werden, ein Umstand, der die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt teilweise sehr hemmte. 1570 z.B. gehörte Belgern zum Amt Wurzen, später wurde es hinsichtlich der Gerichtsbarkeit und Zinsen zum Amt Torgau geschlagen, verblieb aber steuerlich beim Wurzner Amt.
Die Mönche nahmen nicht nur von der Stadt, sie hatten ihr auch etwas zu geben. Sie förderten entschieden den Weinanbau – 1210 gab es bereits 72 Weingärten – kultivierten Land – brachten verbessertes Ackergerät, edleres Obst mit, betrieben Fischfang, bauten Flachs an und lüfteten das Geheimnis des Bierbrauens, das bald zu einer Haupteinnahmequelle der Belgeraner Bürger werden sollte.
Dem relativen Niedergang der Stadt im 12. Jahrhundert folgte durch das Kloster eine Zeit der Konsolidierung, die dann allerdings mit den Brandschatzungen durch kaiserliche und schwedische Truppen im Dreißigjährigen Krieg – 1632 wurde die Stadt nahezu völlig zerstört, 1646 sollen nur noch sieben Ehepaare und drei Kinder in ihr gelebt haben – ein vorläufiges Ende fand.
Dem Aufblühen unserer Stadt im Feudalismus lag u.a. ein erfolgreicher Ackerbau zu Grunde. Auf seiner Basis konnten sich zahlreiche Handwerke entfalten. Die älteste und zahlenmäßig stärkste Zunft stellten die Weber, deren Zunftsatzungen 1467 vom Abt des Klosters Buch bestätigt worden waren. Im Jahr 1609 existierten neben den 24 Webern 7 Bäcker, 12 Büttner, 10 Schmiede/Wagner und 14 Schuhmacher sowie zahlreiche Töpfer.
An Berufen werden noch genannt: Färber, Gerber, Handschuhmacher, Hutmacher, Kürschner, Messerschmiede, Sattler, Seifensieder und Zinngießer. Den größten Erlös und die meiste Achtung strichen die Bierbrauer ein. 1628 gab es allein in der Stadt 34 Häuser, die das Braurecht besaßen, unter ihnen die Lehrer- und Pfarrerwohnungen.
Bier aus Belgern hatte einen außerordentlich guten Ruf. Nicht nur, dass es Melanchthon sehr gern getrunken haben soll (ihm wird auch der Ausspruch „Cerevisia Belgrana omnibus sana“ – „Belgernsches Bier ist für alle gesund“ in den Mund gelegt), die Bierkäufer aus Leipzig kauften während der Auktionen vor dem Roland jährlich im Durchschnitt etwa 1000 Fass.
Im Leipziger Burgkeller gab es den „Belgernschen Keller“, in dem ausschließlich Bier aus Belgern ausgeschenkt wurde. Selbst in Prag soll es getrunken worden sein. Neben dem Bierbrauen und dem bis 1911 gepflegten und weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus bekannten Weinanbau brachten Schifffahrt und Fischerei der Bevölkerung Beschäftigung und Verdienst.
Verwaltet wurde die Stadt vor 1580 von einem Bürgermeister, drei Ratsmännern und einem Richter, der Rechtswissenschaft studiert haben musste, meist der Stadtschreiber und oft der Nachfolger des Bürgermeisters war. Die Vertreter der Bürgerschaft hießen Viertelsmeister (Vorsteher der Stadtviertel), die vom Rat für drei Jahre gewählt wurden. Ihm oblag auch anfangs die Blutgerichtsbarkeit, bis 1669 die Kurfürstliche Kammer und 1821 das Königliche Preußische Gerichtsamt die Rechtsprechung übernahmen.
Um die Wahrheit herauszufinden, befand sich in einem der drei Keller unter dem Rathaus die Folterkammer, in der sich nicht selten grausame Szenen abgespielt haben müssen. Der Galgen wurde 1573 errichtet und 1828 nach häufigem Gebrauch abgebrochen; eine zweite Richtstätte gab es vor der Heide. Leichtere Vergehen wurden für weibliche Delinquentinnen mit dem Tragen der sogenannten Lästersteine (Steine mit eisernen Handriffen) geahndet, während männliche Verurteilte an den Pranger gestellt wurden.
Angeschlossen an Halseisen, eines soll am Rathaus neben dem Roland, ein anderes an der Kirche angebracht gewesen sein, mussten sie mehrere Stunden ohne Speise und Trank dort stehen und waren oft Zielscheibe derben Spottes sowie verschiedenartiger Wurfgeschosse wie Tomaten, Eier und Obst.
Andere Bestrafungsarten waren das „Springen aus dem Korbe“ (heute nicht mehr nachvollziehbar) und das Einsperren im „Bürgergewahrsam“, das sich im zweiten Stock des Rathauses befand und vornehmlich Belgeraner Bürgern vorbehalten war.
Eine geringe Einnahme für das Stadtsäckel bedeutete die Fähre, die West- und Ostufer der Elbe noch heute verbindet. Für ihre Bedeutung in früherer Zeit spricht, dass sie, rückten Feinde gen Belgern, entweder versenkt oder aber nach Dresden bzw. Torgau zur sicheren Aufbewahrung gebracht wurde.
Als sie 1784 von der Stadt aus Privatbesitz gekauft wurde, mussten 700 Taler gezahlt werden. Die Elbefurt bei Torgau, der Ausbau Torgaus als Fürstensitz, später als Amt, Garnison und Eisenbahnknotenpunkt ließen die anfängliche Bedeutung Belgerns rapide sinken.
Größere Industrieunternehmen bzw. Verwaltungseinrichtungen siedelten sich nicht in unserer Stadt an. Sie wären aber notwendige Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Aufstieg im 18./19. Jahrhundert gewesen. Auch die Einrichtung der Postverbindung Berlin-Dresden über Belgern 1734 änderte nichts an der ökonomischen Stagnation.
Der für die Infrastruktur einer Stadt so wichtige Anschluss an das Eisenbahnnetz verschob sich immer wieder, so dass erst 1913 mit Erdarbeiten begonnen wurde.
1915 endlich fuhr das letzte Mal die Postkutsche nach Torgau, während zur gleichen Zeit nach vierstündiger Fahrt der erste Zug aus Torgau unsere Stadt erreichte.
1926 startete der erste Bus nach Riesa, ein schmaler Ersatz für die Ablehnung der zuvor geplanten Weiterführung des Schienenstranges bis Riesa.
Erst die Schul- und Verwaltungsreform schuf die Grundlage für die Überwindung jahrhundertelanger Stagnation und die Umwandlung Belgerns in eine moderne Industrie-Agrar-Stadt.
Der Name Belgern trat mit in der Stadt gefertigten Erzeugnissen international in Erscheinung und gewann als wichtiges Zentrum der Industrie-Agarar-Produktion auch überregional an Bedeutung.
Quelle: Auszug aus Heimat-Almanach, 700 Jahre Stadtrecht Belgern, 1986, IV-24-7 L 85-86
Aus der Geschichte der Stadt Belgern: